Berlin, 18.11.2005
Meine Bilder hangeln sich entlang den Fragen nach Sichtbarkeit,
Unsichtbarkeit und damit nach unserer Existenz.
Die Darstellung menschlicher Daseinsformen und Geisteszustände.
Jedes Bild dient dazu, Erfahrungen visuell wahrnehmbar zu
machen. Dabei tritt eine Form aus dem Hintergrund hervor.
Doch sie tut das unverbindlich, als könne sie
jederzeit auch wieder im Hintergrund verschwinden.
Mit Hilfe von Transparenz und Opazität entstehen organische
Körper von großer räumlicher Tiefenwirkung
und bieten, ähnlich wie medizinische Röntgenbilder,
ungewohnte Formen, die nicht weiter entschlüsselt werden
müssen, jedoch sehr dazu reizen. Statt medizinischen
Gehalt preiszugeben, funktionieren die Bilder assoziatif.
Denn sie sind bei aller ästhetischen Nähe zur Fotografie
und Radiologie, “nur” Bilder und keine Abbilder.
Keine Figuration, sondern Suggestion.
Berlin, 01.04.2008
Uwe Goldenstein zur Ausstellung “From Now to
There” bei Galerie Scala, Berlin, 2008
Was bei Christian Stähler sichtbar ist und was nicht,
lässt sich nicht auf den ersten Blick erschließen.
Denn diese Frage stellt sich, wie wir noch sehen werden, mehr
in metaphorischer Hinsicht. Eine Serie von Leinwand-Portraits
erleuchten auf ungewohnte Weise, als stünde ihnen ein
Heiligenschein zu. Auratisch von einem hintergründigen
Licht umgeben schauen sie uns entspannt entgegen. Wie ein
familiäres Netzwerk einer Ahnenreihe verteilen sich die
Leuchtkörper an der Wand. Irgendwie entrückt und
unnahbar erscheinen sie uns trotz oder auch gerade aufgrund
der von ihnen ausgehenden meditativen Ruhe. Dieser Zustand
wird noch verstärkt, wenn man bedenkt, dass es sich bei
einigen Portraits um bereits verstorbene Personen handeln
könnte.
Stähler zeigt sich mit seiner Werkgruppe `From Now To
There´ als ein Meister der Symbolisierung von Erinnerung.
Unschärfen und Konturen auf den von hinten angeleuchteten
Portraits verschwimmen im Licht ihrer Inszenierung. Seine
Bildnisse wirken auf unbestimmte Weise mehrdimensional. Der
Betrachter ist versucht, den durch ungleichen Lichteinfall
entstehenden Unschärfen eine Bedeutung zu verleihen.
So deuten sie doch durch ihre Flächigkeit auf den Prozess
des Verschwindens hin. Gleichzeitig suggerieren Stählers
Portraits mit ihrer malerischen Wirkung eine Wahrhaftigkeit,
die sie schwer fassbar macht gerade durch die Nähe zum
Medium der Malerei und der Installation. Der Realitätswert
des Fotos gewinnt auch durch das Fragmentarische der Struktur
und seine Tiefenwirkung an Dynamik. Eine Narration an einen
Unbekannten wird angestoßen und verläuft letztlich
ins Unendliche des Lichts.
Als einen energetischen Zustand von Existenz bewahrt Stähler
die Erinnerung seiner Protagonisten. Das Licht taucht sie
in eine Schwebe und verleiht ihnen einen ambivalenten Habitus.
Auf impressionistische Weise bewahrt er seinen Figuren
eine Lebendigkeit, welche durch das Hin- und Herschwanken
zwischen jenseitiger Beleuchtung und diesseitigem Verblassen
entsteht.
Berlin, den 31.Mai 2009
Christian Stähler legt Spuren. Jedwedes
künstlerisches Schaffen dreht sich bei ihm genau darum:
Spuren zu legen. Das geschah lange in Form der Malerei und
des Zeichnens und führte ihn zur Fotografie. Sie wurde
sein Instrument zum Spurenlegen, -fangen und –verbergen.
Durch Licht. Mit Licht und Schatten zu zeichnen, ist die technische
Eigenheit der Fotografie. Im ersten Schritt auf ein Negativ,
im zweiten auf Papier. In einem weiteren Schritt verfolgt
Stähler dasselbe Prinzip aber auch in seinen Leuchtleinwänden,
den Portraits und Akten.
Die Leuchtportraits zeigen und verbergen, je nach Beleuchtung,
Menschen, die er zuvor fotografiert hat. Hierzu Stähler:
“Jene, wie ich selbst, suchen die Unsterblichkeit, indem
wir uns überliefern und einen Platz im Gedächnis
der Jüngeren erstreben. Wie gut diese sich erinnern werden,
wie präsent wir in ihrem Gedächnis bleiben, hängt
massgeblich von unseren Anstrengungen ab, uns einzubrennen
und unsere Spuren zu hinterlassen…”
Stählers Bilder zeigen sich nicht von allein. Sie benötigen
eine rückseitige Beleuchtung, um wahrnehmbar zu sein.
Andernfalls bleiben sie weisse Leinwände und ähneln
unbeschriebenen Blättern, obwohl sie ein Bild tragen.
‘Ist ein Bild noch ein Bild, wenn es nicht sichbar ist?’
führt uns zur Frage nach unserer eigenen Existenz. Wie
immer sich diese Frage beantwortet, unser Abbild, das uns
repräsentiert und jede unserer Schöpfungen, die
an uns erinnert, gibt uns ein Gefühl der Macht und der
Unsterblichkeit und dient somit unserer Hybris. So morbide
und vergebens unser Streben nach der Unsterblichkeit unseres
‘Ich’ auch ist, es spendet doch zumindest Trost.
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